Josefine Gottwald ist als Autorin ständig auf Achse. Mit „Mermaid“ veröffentlicht sie nach 6-jähriger Arbeit ihren allerersten Nixenroman. Der Auftakt zu einer großartigen Serie.
Ich hatte die Ehre sie mit Fragen löchern zu dürfen. Im Interview erfahrt ihr unter anderem wieso es so lange dauerte und wie viele Bände es werden. Außerdem erfahrt ihr mehr über ihre Arbeit als Biologin und wie sie das für Mermaid nutzen kann.
Willkommen zurück Josefine. Mit „Mermaid“ beschreitest du völlig neue Wege und veröffentlichst deinen ersten Meeresroman. Worum geht es?
Die Handlung erzählt von einer Herrscherin, die vom Thron gestoßen wurde und versucht, die Intrige aufzudecken. Beim Kampf um ihr Land muss sie auch innere Hindernisse überwinden. Der Stoff beinhaltet für mich viel Symbolik. Es geht um Menschen, die ihre Menschlichkeit verlieren und sich dem Materialismus zuwenden und um den Kontakt zum Körper. Gern würde ich auch den Kontrast zwischen Rationalität und Sinnlichkeit weiter vertiefen.
Klingt ganz nach meinem Geschmack. Ist Mermaid als Reihe angelegt? Wenn ja, wie viele Bände wird es insgesamt geben?
Ich sehe Band 1 als Prequel (was nicht korrekt ist, da er zuerst geschrieben wurde), also vielleicht als Teil 0 einer Saga. Er führt die Figuren und ihre inneren Konflikte ein und beschreibt das Setting unter dem Meer (das Unbewusste). Sechs Bände wären schön, dafür habe ich genügend Stoff.
Ich bin neugierig, was hat dich zu Mermaid inspiriert? Wie bist du auf die Idee gekommen?
Ich arbeite jetzt über sechs Jahre an dem Thema und kann das nicht mehr im Detail nachvollziehen. Es kommen immer wieder Aspekte hinzu, die überhaupt nicht meeresverwandt sein müssen. So beispielsweise eine Passage der Liederedda, die die Nibelungenlegende enthält: Es geht da um den Schatz, der jeden um den Verstand bringt. Fafnir (ein Riese) tötet für ihn und will ihn später nicht teilen. Stattdessen legt er sich auf das Gold und „wird zum Drachen“. Das fand ich spannend, da es unter den Menschen noch immer solche „Drachen“ gibt.
Natürlich gab es auch einen Andersen-Einfluss. Ich habe mich mit seiner Biografie beschäftigt und hatte den Drang, diese widerstreitenden Gefühle in Worte und Bilder zu fassen. Eine Herausforderung.
Oh ha, interessanter Hintergrund. Ich kenne Hans Christian Andersen und liebe seine Märchen. Du hast jetzt selbst eine Adaption geschrieben. Wie stehst du generell zum Thema Märchenadaptionen?
Ich denke, eine Adaption bezieht sich auf die Handlung eines Werks, in dem Fall eines Märchens. Die inhaltlichen Überschneidungen sind hier gering, auch wenn es kleine Anspielungen geben wird. Märchen, vor allem Volksmärchen, sind vielschichtig und erlauben Interpretationen mit verschiedenen Schwerpunkten. Es gibt einen Schneewittchen-Horrorfilm („A Tale of Terror“ mit Sam Neil und Sigourney Weaver), den ich sehr liebe. Beim Kunstmärchen ist das anders, um es weiterzuerzählen muss man den Autor gut kennen. Mir fällt da kein geglücktes Beispiel ein …
Passend zum Release von Mermaid gab es auf Facebook eine große Party mit zahlreichen Spielen, Rätseln und Gewinnen. Wie kam das bei deinen Fans an? Wird es sowas in Zukunft wieder geben?
Dieser Tag mit den Lesern hat mir viel Freude gemacht! Die Stimmung war toll, und auch wenn alles online und distanziert stattfindet, spürt man eine enge Verbindung und spricht im Laufe des Abends über immer persönlichere Themen. Ich fand es berührend zu lesen, durch welche Tiefen die Teilnehmer in ihrem eigenen Leben schon gegangen sind und was ihnen Hoffnung gibt. Das würde ich gern wiederholen.
Du hast selbst Biologie studiert und bist damit vom Fach. Wie sehr hat dir das bei der Arbeit an Mermaid geholfen?
Meine Arbeit in der Aquaristik war eine große Inspirationsquelle. Kaum jemand kann sich vorstellen, wie es ist, morgens vor Öffnung durch eine lebende Ausstellung zu laufen und vom Balztanz der Seepferdchen begrüßt zu werden. Andere tiefe Eindrücke entstanden beim Spiel mit einem Oktopus (der mit seinen Saugnäpfen die Haut schmeckt und erkundet) oder beim Füttern und Berühren eines Meeraals (wobei man noch vorsichtiger sein sollte). Diese Impressionen würde ich gerne teilen, auch wenn meine Sprache da manchmal ins Fachlich-Fantastische abrutscht, so wie bei den „undulierenden Flossensäumen“ …
Das Cover ist recht düster und die roten Haare erinnern mich stark an Arielle. Bewusste Entscheidung oder Zufall?
Tatsächlich habe ich keine enge Bindung zu Arielle. Von den Disney-Filmen mochte ich „Die Schöne und das Biest“ immer lieber, weil sich die Beziehung komplexer gestaltet. Eric ist ein recht langweiliger Typ und Arielle sehr naiv. Ich glaube, die Heranführung an die roten Haare kam über einen Umweg: Ich wollte keine Sirene im Stereotyp einer blonden Verführerin wie die Loreley. Diese Rolle bekam Grím im Buch, also Nûris Schwester. Die dritte Schwester Raun sollte dunkel und unscheinbar sein, eine geheimnisvolle und stille Schönheit. Die roten Locken passten zu Nûris aufbrausendem Temperament – es gibt eine rothaarige Figur in „Abbitte“, vielleicht hat sie mich inspiriert.
Was war beim Cover besonders wichtig?
Mit der Düsternis hast du recht, das war ein wichtiger Aspekt für mich. Gemeinsam mit Vivian Tan habe ich viele Arbeiten des Plakatmalers Alfons Mucha aus der Jugendstil-Epoche gesichtet. Die nymphenhaften Darstellungen transportieren viel Weiblichkeit und Naturnähe, daher hat uns die Formensprache inspiriert. Das dunkle Seegrün war eine Farbe, die ich mir schon lange in den Kopf gesetzt habe. Sie ist unerwartet, nicht tiefblau und auch nicht tropisch türkis, eben meine Vorstellung der finsteren See.
Im Gegensatz zu den Eiselfen gibt es diesmal keine Illustrationen zwischen den einzelnen Kapiteln. Gibt es dafür einen bestimmten Grund? Hätten eventuelle Illustrationen gestört?
Ursprünglich war mein Konzept recht starr. Ich wollte das Schema der „Eiselfen“ mit einer Illustration pro Akt transportieren und nur in den Punkten Seitenzahl und Umfang der Reihe abweichen. Letztlich hat eine Verkettung von Komplikationen dazu geführt, dass aus den Illustrationen nichts wurde. Der Grafiker erstellte aber ein paar richtig schöne Ornamente, mit denen ich sehr glücklich bin. Inzwischen finde ich es sogar gut, dass die Reihe deutlich anders ist. Auch wenn wir die Figuren auf den Covern haben, hast du ganz recht: Ohne Bilder bietet die Geschichte mehr Freiraum für eigene Vorstellungen.